Der Klugscheisser-Effekt
Ich sehe etwas und glaube zu wissen, dass es anders besser wäre.
Ich sage es der Person. Sie reagiert mit Widerstand.
Warum?
Weil ich ungefragt etwas bewerte, meine Sichtweise äussere – etwas, das eigentlich nichts mit mir zu tun hat. In dem Moment stelle ich mich mit meinem Verhalten über die Person. Wenn auch nicht bewusst. Denn ich wollte ja „nur helfen“.
Ganz anders ist es, wenn ich zuerst die Person frage, warum sie das so gewählt hat. Oder wenn ich frage, ob sie meine Wahrnehmung dazu wissen möchte.
Meine Sichtweise, mein Empfinden und meine Bewertung zu den Dingen sind nicht automatisch allgemeingültig. Sie sind nur in meiner Welt, meine Wahrheit!
Ich sehe das andauernd. In der Coaching-Szene, im Business-Aufbau und auch in Beziehungen. Überall dasselbe Muster: gut gemeinte Ratschläge, die jedoch mehr trennen als verbinden.
Mich triggert dieses Verhalten ungemein: Jemand fragt mich, wie es mir geht. Ich erzähle, wie es mir geht – und päng – erhalte ich Ratschläge, Tipps oder Erklärungen, warum ich nicht so fühlen sollte.
Da schalte ich auf Widerstand. Die Frage war doch, wie es mir geht, und nicht: „Was kann ich tun, wenn es mir so geht?“
Kein Wunder, dass auf diese Frage oftmals nur noch ein „gut“ kommt. Denn stets den Klugscheisser-Effekt zu spüren, verleidet.
Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder lernen, zuzuhören.
Fragen zu stellen.
Denn es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Mensch spürt, da ist jemand, der mir wahrhaftig zuhört – und mich, mich sein lässt.
Reflexion zum Mitnehmen
Nimm dir einen Moment Zeit und frage dich ehrlich:
- Wo in meinem Leben gebe ich ungefragt Ratschläge?
Vielleicht aus bester Absicht – aber ohne gefragt worden zu sein? - Wie reagiere ich, wenn mir jemand sagt, wie ich es „besser“ machen könnte – obwohl ich nur etwas teilen wollte?
- Wann habe ich zuletzt wirklich zugehört – ohne sofort zu bewerten, zu analysieren oder zu helfen?
Schreib dir auf, was du entdeckst. Nicht, um dich zu verurteilen – sondern um bewusster zu werden.
Denn Beziehung beginnt dort, wo wir aufhören zu wissen – und anfangen, wirklich zu begegnen.